Ein Blick in die Zukunft

Vor mittlerweile sechs Wochen fand der diesjährige Hamburg-Marathon statt. Als ich im April 2021 die Idee hatte, im Jahr meines 70. Geburtstags noch einmal einen Marathon zu laufen, war es ursprünglich für mich ein zeitlich begrenztes Projekt, das nach diesem Lauf endet. Aber nach Jahrzehnten langem Gesundheitslaufen begann ich im Laufe der Monate Spaß daran zu finden, wieder auf ein Ziel hin zu trainieren. Ich spürte, wie sich meine Leistungsfähigkeit langsam, aber stetig verbesserte und ich meinem Körper wieder höhere Belastungen zutrauen konnte. Gleichzeitig begann ich mich wieder mit Themen wie die Trainingslehre zu beschäftigen. Häufig schaute ich in Ergebnislisten von Marathons und auch kürzerer Läufe, um einen Überblick für die Möglichkeiten siebzigjähriger Herren zu bekommen. Ich stellte fest, dass ich mich mit meinem ursprünglichen Ziel, eine Zeit von 3:30 Stunden zu unterbieten, bei allen weltweit größten Marathonläufen vorneplatzieren würde. Leider habe ich dieses Mal mein Ziel verfehlt und bin nur 3:44:22 Stunden gelaufen. Aber selbst mit dieser Zeit kann ich noch in der Altersklasse 70 vorne mitlaufen. So gewann ich in Hamburg meine Altersklasse und habe 24 Läufer hinter mir gelassen. Drei Wochen zuvor wäre ich beim Hannover-Marathon sogar deutscher Vizemeister in meiner Altersklasse geworden. Der Sieger lief dort 3:38:27 Stunden.

Mir wurden wieder viele schöne Erlebnisse aus den siebziger und achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts gegenwärtig und ich verspüre jetzt einfach Lust weiterzumachen und meine heutigen Leistungsgrenzen auszuloten. Ich war sehr überrascht, wie viele Menschen mein Projekt verfolgt und mir gratuliert haben. Selbst bei meinen ersten Trainingsläufen nach dem Hamburg-Marathon gratulierten mir entgegenkommende Läufer oder Radfahrer an der Kiellinie. Das hat mich schon sehr gefreut, aber letztendlich laufe ich für mich und mache es ausschließlich für mich selbst. Für meine Befriedigung, mein Selbstvertrauen und mein Wohlbefinden! Einige Zeilen vorher sagte ich, ich verspüre Lust weiterzumachen. Aber was könnten mögliche Ziele sein? Natürlich nagt es an mir, mein Ziel verfehlt zu haben. Also muss ich noch weitere Marathons laufen, um es vielleicht doch noch zu erreichen. Die letzten zehn Trainingswochen vor Hamburg waren nicht optimal. So musste ich den Februar verletzungsbedingt komplett aussetzen. Meiner Einschätzung nach hätte ich bei optimaler Vorbereitung eine Zeit von 3:38 bis 3:40 Stunden erreichen können, aber die 3:30 Stunden hätte ich meines Erachtens nicht geschafft.

 

Trotzdem halte ich dieses Ziel für machbar, da das Training der letzten zwölf Monate ein neues Fundament geschaffen hat. Früher haben Läufer:innen erst nach vielen Jahren Training zur Marathondistanz gewechselt. Und so sehe ich es auch in meinem Fall. Das zurückliegende Jahr hat die Grundlage geschaffen, auf der ich jetzt weiter aufbauen kann. Nun gibt es aktuell zwei Möglichkeiten. Entweder nehme ich Anfang Dezember am Valencia Marathon teil (dann bin ich immer noch 70) oder ich wiederhole nächstes Jahr den Hamburg-Marathon. Mein Ziel soll unverändert bei 3:30 Stunden bleiben. Gerne möchte ich in diesem Jahr aber noch einen Halbmarathon laufen. Meine aktuelle Bestzeit über diese Distanz ist die Durchgangszeit von 1:49:49 Stunden beim diesjährigen Hamburg-Marathon. Hier möchte ich eine Zeit unter 1:45 Stunden anpeilen. Ich habe lange darüber nachgedacht, ob ich in der Form weiterlaufen kann wie die letzten Monate. Das Training stellt eine große zeitliche Belastung dar. Gut, ich bin beruflich Schritt für Schritt auf dem Rückzug. Aber ich habe ja auch noch andere Interessen, wie zum Beispiel das Segeln. Ich schrieb es schon in einem früheren Blogbeitrag: Segeln und ambitioniertes Laufen vertragen sich zeitlich nicht sehr gut. Auch meine Frau musste häufig zurückstecken, weil das Laufen immer irgendwie vorging. Da muss ich mich sicherlich noch besser organisieren und eine ausgewogenere Balance finden.

Andererseits werde ich in den nächsten Jahren hoffentlich doch etwas mehr Zeit haben. Und dann stellt sich mir doch die Frage, wie wird mein weiteres Leben aussehen? Nichts tun, mich nicht anstrengen müssen und auf den Tod warten? Ich hatte in meinem bisherigen Leben immer große Herausforderungen zu bewältigen, sportlich wie beruflich. Und ich brauche auch weiterhin Herausforderungen. Nur weil ich jetzt alt bin, muss und will ich doch nicht darauf verzichten. Kann der gesundheitliche Aspekt gegen ein intensiveres Laufen sprechen? Sicherlich muss ich auch hier die richtige Balance zwischen Belastung und Erholung finden und von Zeit zu Zeit an meine Vernunft appellieren.
Nur weil ich häufig laufe, bin ich aber noch lange kein Leistungssportler, der alles andere seinem Sport unterstellt. Es gibt noch so viele weitere schöne Dinge im Leben, die ich genießen möchte.
 
Ich werde meine Blogbeiträge ab jetzt monatlich schreiben, sie werden also immer zum 1. Dienstag im Monat erscheinen. Zusätzlich werde ich kurze wöchentliche Updates auf meinem Instagram-Kanal (marathonmann) veröffentlichen. Und wer noch weitere Informationen über mein Training wissen möchte, kann mir auf Strava unter Rainer Ziplinsky folgen.

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